Die vier arbeitsfreien Tage von Karfreitag bis Ostermontag erinnern mich daran, wie stark das Christentum unsere Gesellschaft geprägt hat und noch immer unseren Alltag bestimmt. Da ist es völlig gleichgültig, ob ich der Meinung bin, dass der Islam zu Deutschland gehört oder nicht. Niemand wird behaupten, dass der Islam eine vergleichbare Rolle für unser Land gspielt hat. Andererseits kann niemand leugnen, dass mehrere Millionen Moslems, die teilweise bereits in der dritten Generation in Deutschland leben, längst ein Teil unseres Landes geworden sind. Wer heute behauptet oder leugnet, dass der Islam zu Deutschland gehört, will kein sachliches Gespräch führen, sondern andere entweder ärgern oder für sich einnehmen.
Vor den Feiertagen liegt die Karwoche, eine Zeit der Stille. Am Karfreitag, dem Todestag Jesu, sind laute und fröhliche öffentliche Veranstaltungen untersagt. Es finden keine großen Fußballspiele statt. Ähnliche, wenn auch weniger strenge Regelungen, gibt es auch für den Volkstrauertag und denTotensonntag. In den letzten Jahren wurde mehrmals versucht, diese Bestimmung aufzuheben. Warum soll es solche Einschränkungen geben, wenn die Mehrheit der Bevölkerung an Jesus kein Interesse hat? Wer so argumentiert, sollte die Abschaffung des Feiertages fordern. Den Feiertag behalten, ihn aber seines Inhalts zu berauben, halte ich für keinen überzeugenden Weg.
Zur Zeit wird eher die Einführung neuer Feiertage erwogen. In Süd- und Westdeutschland gibt es mehr Feiertage als in Nord- und Ostdeutschland. In katholisch geprägten Ländern sind Fronleichnam (zehn Tage nach Pfingstmontag) und Allerheiligen (1.November) gesetzliche Feiertage. Nach Streichung des Bußtages (außer in Sachsen) zugunsten der Pflegeversicherung gibt es nur noch das Reformationsfest als spezifisch evangelischen Feiertag, und das auch lediglich in ehemaligen DDR-Gebieten. Nach den gelungenen Feiern im letzten Jahr wird in Nedersachsen, Schleswig-Holstein und den drei Stadtstaaten die Wiedereinführung erwogen. Das Vorjahr hat gezeigt, dass ein feierliches Gedenken auch Sinn macht, wenn Luthers Schattenseiten nicht verschwiegen werden.
Ist es an der Zeit, auch einen muslimischen Feiertag einzuführen? Die Schwierigkeit, dass Christen und Moslems unterschiedliche Kalender haben, ließe sich bewältigen. Der muslimische Kalender richtet sich nach dem Mond. Mit jedem Neumond beginnt ein neuer Monat. So ist das muslimische Jahr elf Tage kürzer als unseres. Als ich 70 Jahre alt wurde, war ein am selben Tag wie ich geborener Moslem schon 72. Wenn man den muslimischen Neujahrstag zum Feiertag erklärte, fiele er jedes Jahr auf einen anderen Tag, im Vorjahr auf den 27.Mai, dieses Jahr auf den 16.Mai. Ich könnte gut damit leben. Allerdings bin ich der Auffassung,, dass die gegenwärtige Stimmung in unserem Land mit mancherlei fremdenfeindlichen Ängsten für ein solches Vorhaben derzeit nicht günstig ist.